HEDDESHEIM

Weinheimer Nachrichten: 23.02.2018 | Autor Anja Treiber  

Die Runde war groß uns illuster. Ein Zeichen dafür, wie interessant das „Heddesheimer Modell“ für die Sportlandschaft weit über die Region hinaus ist. In der „Interessengemeinschaft Sport Heddesheim“ (IGSH) haben sich im Oktober 2016 der Arbeiter-Turnerbund (ATB), FV Fortuna, Tennisclub, die Turngemeinde (TG) und der Tischtennisclub (TTC) im Dach-Verein IGSH zusammengetan. Dessen Ziel ist es, die Sportvereine der Gemeinde in ihrer Entwicklung zu unterstützen, bei der Alltagsarbeit zu entlasten und gemeinsame Interessen einheitlich zu vertreten.

Ein Jahr nach der Einrichtung des gemeinsamen Servicebüros im Jugendhaus am Sportzentrum zog die IGSH nun eine kleine Bilanz. Und dieses Pilotprojekt in der badischen Sportlandschaft befand nicht nur Dr. Martin Lenz als Präsident des Badischen Sportbunds Nord für interessant. Er hörte gleichzeitig neugierig hin, was er sich als Karlsruher Sport-Bürgermeister für die badische Hauptstadt abschauen könnte. Auch die Geschäftsführer des Badischen Schwimm-, Fußball-, Tennis-Verbandes sowie Vertreter aus der Leichtathletik, vom Tischtennis und Sportkreis-Vorsitzender Michael Scheidel wollten wissen, wie das Zwischenfazit der Heddesheimer Pioniere ausfällt. 

Es geht nicht um Fusionen 

„Es wird immer schwerer, Ehrenamtliche für aktive Vorstandsarbeit zu finden. Die Arbeit wird immer bürokratischer, die Erwartungshaltung der Mitglieder steigt und dafür sind viele auch bereit, mehr zu zahlen“, sagte Heddesheims Bürgermeister Michael Kessler. Durch die Ganztagsschule in Heddesheim und die Tendenz der Grundschule, diese Richtung auch einzuschlagen, werde man zudem das Sportangebot in Heddesheim nur mit viel Professionalität bewahren und ausbauen können. Dabei gehe es nicht um Fusionen, die IGSH sei mit ihrem Angebot nur „die Klammer“. 

„Wir haben zum Glück die richtigen Vereinsvorstände, die über die eigenen Grenzen denken. Von der Zusammenarbeit profitieren alle – auch wir als Sportgemeinde. Die kommunalen Einrichtungen wie Hallenbad, Freibad, Badesee und Eisbahn besuchen 300 000 bis 500 000 zahlende Besucher pro Jahr. Und es gibt noch Flächen im Sportgebiet.“ Das Potenzial in Heddesheim mit seinem ohnehin schon beispielhaften Sportzentrum ist noch lange nicht ausgeschöpft. 

„Dieses Potenzial transparent zu machen und offen miteinander zu reden – darum geht es uns“, sagt Wolf-Günter Janko, IGSH-Vorsitzender und gleichzeitig auch Vorstand der TG Heddesheim. „Wir wissen doch alle aus unseren Mitgliederversammlungen, dass wieder etliche Jobs unbesetzt bleiben. Wir erwarten immer mehr Flexibilität und Mobilität – gleichzeitig sollen sich dann aber Menschen jahrelang in Ämter wählen lassen.“ 

Es müsse perspektivisch viel projektbezogener gearbeitet werden. Wenn die ungeliebte Verwaltungsarbeit abgegeben werden könne, würde das mehr Spielraum fürs sportliche Arbeiten schaffen. 

Florian Riegler, Leiter des Servicebüros, sieht seine Aufgabe als Dienstleister der Vereine – und des Heddesheimer Sports im Allgemeinen. Er ist hauptamtlich bei der IGSH angestellt, übernimmt auch Übungsleitertätigkeiten. Seine Stellvertreterin Katja Hollman-Härle hilft bei Vereins- und Schularbeit ebenso mit wie eine FSJlerin. 

Viele Projekte 

In Zusammenarbeit mit den Schulen habe man in einem Jahr bereits sieben AGs mit externen Übungsleitern besetzt, der Parkours-Kurs sei binnen zwei Wochen ausgebucht gewesen, genau wie die Feriencamps an Ostern und im Sommer. Und auch an Pfingsten gibt es nur noch wenige freie Plätze. Hinzu kommt ein Familiensporttag im Herbst und die Erstklässler-Sportwoche zwischen erstem allgemeinen Schultag und der Einschulung, wo die IG die einzuschulenden Kinder halbtags betreut. 

Im ersten Jahr ihres Bestehens hatte die IGSH einen Etat von 60 000 Euro, den die Gemeinde hauptsächlich finanzierte und bis 2020 auch großer Geldgeber bleiben wird. Jedes der 2500 Mitglieder in den fünf Vereinen finanzierte die IG ebenfalls mit. Erwachsene zahlten zwölf, Kinder und Jugendliche sechs Euro pro Jahr. Über die Projekte will sich die IG über die Jahre selbst besser tragen. „Wir schauen da auch nach Weinheim. Mit immer professionelleren Strukturen ergeben sich eventuell ja auch professionellere Finanzierungsmodelle“, sagt Kessler. 

Der Badische Sport-Bund könne jedenfalls nur gratulieren, meinte BSB-Präsident Lenz. „Besser gemeinsam könne der Slogan für die Zukunft nur lauten.“ Und der Mannheimer Sportkreis-Vorsitzende Scheidel fügte an: „Jeder Verein bleibt autonom im Handeln, kann aber auf die IG zugreifen, wenn er beispielsweise in der Verwaltung oder beim Geld eintreiben Hilfe braucht. Das ist einzigartig im Badischen Sportbund.“ AT

© Weinheimer Nachrichten: 23.02.2018